Es gibt kaum ein Gebiet in den Alpen, in dem man so viele Bergseen, Wasserfälle und Bäche findet wie in den Schladminger Tauern. Unter den Hunderten von Bergseen, die hier zu finden sind, gibt es auch entlegene, die nicht einmal einen Namen haben. Benannt nach der kleinen Stadt Schladming im Ennstal, befindet sich dieser Gebirgszug an der Grenze zwischen den Bundesländern Steiermark und Salzburger Land. Auf dieser Wanderung kommst du fast täglich an einem oder mehreren Bergseen vorbei und siehst du zahlreiche Bäche und Wasserfälle.
Am Hochwurzen Höhenweg
"Mit dem Lift hoch? Wäre das nicht zu einfach?", fragt Isabella, eine meiner Begleiterinnen.
"Keine Sorge, die reine Gehzeit beträgt immerhin noch mindestens 6 Stunden und es geht 850 Höhenmeter hinauf und 700 wieder hinunter, außerdem ist der Weg nicht immer einfach", beruhige ich sie. Gemeinsam mit ein paar Freunden habe ich mir die schroffen und (meist) stillen Schladminger Tauern für diese Wanderung ausgesucht.
Am Gipfel der Hochwurzen auf 1.849 Metern beginnt der erste Wandertag: Wir befinden uns bereits oberhalb der Baumgrenze und haben eine grandiose Aussicht. Vor uns liegen die Dutzenden von Gipfeln, zwischen denen wir in den nächsten Tagen wandern werden. Hinter uns die imposanten Felswände des Dachsteins. Der Weg steigt stetig an und so kommen wir immer mehr in felsiges Gelände und wandern an etwas steileren Bergflanken entlang. Auf halber Höhe passieren wir die ersten Bergseen und die ersten Spiegelungen werden fotografiert. Auf und ab, auf und ab. So geht es weiter, bis wir unter uns die beiden größeren Giglacher Seen mit einigen Almhütten und zwei Berghütten an den Ufern sehen. Während des etwas steileren Abstiegs, bei dem Stahlseile als Handlauf dienen, sehen wir unsere Schlafhütte, die Giglachseehütte, knapp oberhalb des kleineren Sees. Auf der Wiese zwischen Hütte und See entdeckt Arnold mehrere kleine Pools: "Hey, die haben hier auch Whirlpools, cool!" Dass es wirklich "cool" ist, stellen wir fest, als wir die Wassertemperatur prüfen. Einstimmig beschließen wir, uns doch in der Hütte zu erfrischen.
Kein Cola?
Markus ist sehr enttäuscht, als ihm der Hüttenwirt mitteilt, dass er keine Cola hat: "Wisst ihr denn nicht? Cola ist in dieser Höhe giftig!" sagt der Hüttenwirt mit so ernster Miene, dass wir ihm fast glauben. Markus glaubt ihm anscheinend doch und bestellt ein Schiwasser. Beim Abendessen in der Stube genießen wir nicht nur das leckere Essen, sondern vor allem den Blick durch die großen Fenster auf den Giglachsee und die Berge dahinter.
Wie die kleine Hütte selbst ist auch der Schlafplatz gemütlich, und als Isabella durch die rotkarierten Vorhänge nach draußen schaut und das Heidi-Lied anstimmt, fliegen ihr die ebenso karierten Kissen um die Ohren.
Am nächsten Tag erwartet uns eine kürzere Route des Schladminger Tauern Höhenwegs. Nach den beiden Giglachseen und dem kleinen, unbewohnten Almhüttendorf geht es allmählich bergauf, umrundet halb die Murspitze und bringt uns zu einer kleinen, namenlosen Scharte. Von hier aus können wir den idyllischen Duisitzkarsee in der Tiefe bewundern. Nach einem knackigen, 400 Höhenmeter langen Abstieg erreichen wir den See, der als einer der schönsten in den Schladminger Tauern gilt. Auf der Terrasse am Seeufer genießen wir unser Mittagessen und die traumhafte Aussicht. Während Arnold und Markus ins kühle Nass springen, gönnen sich die anderen zum Nachtisch einen unglaublich gut duftenden und köstlich schmeckenden Kaiserschmarren. Zum Glück weist der Weg nach der Mittagspause kaum Höhenmeter auf. Erst nach anderthalb Stunden, wenn wir an der verlassenen Neualm vorbeikommen, beginnt der Weg wieder anzusteigen. Schließlich erreichen wir das Ende eines Hochtals, wo sich die Keinprechthütte befindet.
Wie selbstverständlich gibt es auch hier einen kleinen See und einen Wasserfall, der über die hohen Felswände plätschert. Der Hüttenwirt wirkt etwas mürrisch, entpuppt sich aber bald als geselliger Mensch, der gerne Scherze macht. Spontan beginnt er über gesundes Trinken zu philosophieren, als Markus eine Cola bestellen will. „Dann nimm ich halt ein Schiwasser", murmelt er.
Über die Gollingscharte
Wir beschließen, es trotz der Gemütlichkeit nicht zu spät werden zu lassen. In den nächsten Tagen werden wir täglich etwa 6 bis 7 Stunden unterwegs sein. Als wir am nächsten Tag die Keinprechthütte verlassen, wandern wir zunächst längere Zeit auf fast gleicher Höhe, bis wir die andere Talseite und die Trockenbrotscharte erreichen. Hier verlassen wir (offiziell) die Alpennordseite und befinden uns "inneralpin" im Salzburger Lungau. Nach einem relativ kurzen Abstieg erreichen wir die Landawirseehütte, wo wir unser Mittagessen einnehmen. "Habe ich schon erwähnt, dass hinter der Hütte zwei kleine Seen sind?", scherzt Arnold hinter der Wanderkarte.
Von der Terrasse haben wir einen beeindruckenden Blick auf den Hochgolling, mit 2.862 Metern der höchste Berg der Niederen Tauern. Aber so niedrig sind die Tauern nun auch wieder nicht. Der Berg wirkt schroff und abweisend, übt aber dennoch eine gewisse Faszination auf uns aus. Links sehen wir die Gollingscharte, über die wir bald zu unserer nächsten Übernachtungsmöglichkeit, der Gollinghütte, wandern.
Nach einem steilen Aufstieg erreichen wir die Gollingscharte, wo uns wieder einige Stahlseile helfen, das Gleichgewicht zu halten. Über grobes Geröll steigen wir ab, bis wir wieder "flache" Almwiesen erreichen. Umso mehr beeindruckt uns der Hochgolling, als wir direkt unter seiner 1.200 Meter hohen Nordwand stehen, fast ringsum steile Felswände. "Wow, wie ein Amphitheater, allerdings in der Natur", höre ich hinter mir rufen. Angenehm flach folgen wir dem plätschernden Bach bis zur Gollinghütte.
Während Markus auf der Terrasse gleich ein Schiwasser bestellt, fragt er den Hüttenwirt, ob es in der Nähe der Hütte einen Bergsee gibt. "Nein", sagt er, "aber morgen findet ihr über 30 davon!" Begeistert erzählt er vom Klafferkessel, einem Kessel auf rund 2.300 Metern, in dem sich 30 kleinere und größere Bergseen befinden. Er ist ein Relikt aus der Eiszeit und eines der Highlights der Schladminger Tauern.
Obwohl die Gollinghütte viel größer ist als die anderen, ist die Atmosphäre genauso gemütlich und das Essen mindestens genauso gut.
Höhenpunkt Klafferkessel
Am nächsten Morgen geht es früh los. Nicht nur, weil der längste Aufstieg vor uns liegt, sondern auch, um genügend Zeit im Klafferkessel zu haben. Über den Gipfel des 2.618 Meter hohen Greifenbergs und einige Stahlseilpassagen erreichen wir den Klafferkessel. Auf mehreren Ebenen glitzern hier Dutzende von kleinen Seen im Grünen. Die Kombination aus Flechten, Seen und schroffen Felsformationen erweckt den Eindruck einer urzeitlichen Landschaft. Wir wandern zwischen den Seen umher und halten Ausschau nach schönen Bildern und Ausblicken.
Kurz nach dem letzten See führt der Weg durch eine kleine Scharte und wir steigen durch eine völlig andere Landschaft hinab zur Preinthalerhütte, der größten Hütte unserer Tour. Als wir uns auf der Terrasse niederlassen, bemerkt Markus, dass neben uns jemand Cola trinkt. Überrascht schaut er uns an und als der Groschen endlich fällt, bricht er in schallendes Gelächter aus. "Gib mir trotzdem ein Schiwasser, man weiß ja nie!"
Zu den Sonntagkarseen
Am letzten Tag wandern wir ein Stück taleinwärts zu den beiden Sonntagkarseen, umgeben von den mächtigen Gipfel des Waldhorn und Kieseck, die dafür sorgen, dass bis weit in den Sommer hinein eine Eisdecke auf den Seen den arktischen Charakter verstärkt. Wir genießen die Ruhe und die Stille ,bevor wir zur Hütte absteigen, um die restliche Ausrüstung zu holen und den Abstieg fortzusetzen.
Bevor wir wieder in die Zivilisation zurückkehren, wandern wir an einem der größten Seen der Schladminger Tauern, dem Riesachsee, entlang und bewundern die gewaltigen Wasserfälle, die von diesem See gespeist werden. Nachdem wir fünf Tage lang zwischen schroffen Gipfeln und vorbei an kristallklaren Bergseen gewandert sind, ohne auf allzu viele Wanderer zu treffeb, müssen wir uns erst einmal an die Menschenmassen in der Kleinstadt Schladming gewöhnen.
Die Hüttentour zu dieser Geschichte
Diese Geschichte basiert auf der fünftägigen Reise "Schladminger Tauern Höhenweg".
Möchtest du mehr über diese Reise erfahren? Hier findest du alle Informationen.
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